Atom-Gegner im Gemeindehaus

25.11.2010 08:05

Ostseezeitung | lokal | HGW | Von Sybille Marx

Kirchenvertreter rufen dazu auf, die Proteste gegen den Castor-Transport nach Lubmin zu unterstützen — mit Betten für die Demonstranten und mit einer Menschen-Lichterkette.

Greifswald (OZ) — Isomatten im Gemeindebüro, Kaffeestände vor dem Dom: Wenn im Dezember die Castor-Behälter Richtung Lubmin rollen, könnten sich die Gemeindehäuser der Kirchen in Quartiere für Hunderte Anti-Atom-Gegner verwandeln. Pfarrer Rudolf Dibbern, Superintendent des Kirchenkreises Greifswald, hat die Gemeinden in der Region jetzt persönlich dazu aufgerufen, die erwarteten Proteste gegen den Castor-Transport ins Zwischenlager Lubmin zu unterstützen — mit Schlafplätzen für Atom-Gegner, aber auch mit eigenen, friedlichen Protestaktionen. „Wir sollten uns als Kirche nicht raushalten“, meint Dibbern. „Dass weiter Atomabfälle produziert werden, obwohl es kein Endlager gibt, finde ich persönlich unverantwortlich.“ Voraussichtlich am 16. Dezember sollen vier hoch radioaktive Castor-Behälter aus dem französischen Cadarache über die Bahnschienen in Lubmin ankommen, gefüllt mit Kernbrennstäben aus dem Atomfrachter „Otto Hahn“ und dem Nuklear-Forschungszentrum Karlsruhe. Seit die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke beschlossen hat, ist bundesweit der Protest gegen solche Fracht heftiger geworden, nach der Logik: Warum produziert ihr neuen, gefährlichen Atomschrott — schon den alten will keiner.

Auch in Greifswald und Umgebung formiert sich eine Protest-Welle. Laut Ulrike Berger, die als Grüne in der Bürgerschaft sitzt, plant ein Anti-Atom-Bündnis aus Vereinen, Initiativen, Privatpersonen und Kirchengemeinden aus Greifswald und ganz Deutschland Mahnwachen zum „Tag X“ an den Bahnschienen vor Lubmin. Eine zentrale Protestkundgebung soll am 11. Dezember in Greifswald stattfinden, trotz Weihnachtsmarkt und Mitternachtsshopping. Logistisch eine Herausforderung: „Wir rechnen mit mindestens 3000 Demonstranten“, sagt Ulrike Berger. Denn zahlreiche bundesweite Initiativen wie „Contratom“ hätten bereits versprochen anzureisen.

Rudolf Dibbern und Dompfarrer Matthias Gürtler wollen es nicht bei einer Demo belassen. Mit Vertretern der Anti-Atom-Bewegung haben sie die Idee zu zwei zusätzlichen Aktion entwickelt und die Greifswalder Kirchengemeinden um Mitarbeit gebeten. Ein Lampionumzug am 7. Dezember könnte den Auftakt bilden. Einen Tag vor der erwarteten Ankunft des Castor-Transporters könnte zudem eine Menschen-Lichterkette gebildet werden, die sich über Eldena bis nach Kemnitz ziehen soll — bewusst nicht an den Bahnschienen entlang, wie Dibbern sagt. Denn zum „Schottern“, dem Freiräumen der Gleisbette, wollen die Pfarrer nicht anstiften.

Ob sich die anderen Kirchengemeinden den Aktionen anschließen, bleibt abzuwarten. Bisher hat laut Gürtler nur der Gemeindekirchenrat des Doms beschlossen, Demonstranten zu beherbergen. „Und es gibt auch Gemeindeglieder, die sagen: Wir brauchen die Atomenergie als Brückentechnologie.“

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